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Für Frauen in der Kultur: Seit der Pandemie haben sich die Beratungen von Fiftitu% verdreifacht
Von Nora Bruckmüller, 05. Jänner 2024
Die Vernetzungsstelle verhilft Frauen zu einem gerechteren Berufsleben in der Kunst, 2023 erhielt Fiftitu% den Großen Landeskulturpreis für Initiative Kulturarbeit
Die Freude über den Großen Landeskulturpreis für Initiative Kulturarbeit 2023 war groß in der Linzer Vernetzungsstelle Fiftitu%. "Wobei ich glaube, dass die Freude mehr von der Anerkennung für unsere Arbeit herrührt als vom Finanziellen", sagt Oona Valarie Serbest, Geschäftsführerin von Fiftitu%, über den mit 7500 Euro dotieren Preis des Landes. Verliehen wurde er Ende Dezember.
"Tendenziell sind wir in einem Bereich tätig, in dem oft sehr viel Abwertung mitschwingt. Glaubt man diversen Kommentaren im Netz, sind Beratungsstellen für Frauen Treffpunkte, um Kaffee zu trinken und Zeit zu vergeuden, aber sicher keine, um zu arbeiten."
Dabei ist das Gegenteil der Fall. Fiftitu% stellt sich einer Mammutaufgabe. Die 1998 gegründete Organisation ist die einzige Beratungsstelle Österreichs, die Frauen und Personen, die wegen ihrer Geschlechtsidentität von einer männlich dominierten Gesellschaft diskriminiert werden (bezeichnet als FLINTA), organisatorisch, bürokratisch und in ökonomischen Belangen fit für den Beruf in Kunst und Kultur macht. Egal, aus welcher Sparte sie kommen, wobei jede von Film über Bühnen- und bildende Kunst bis Literatur ihre eigenen Fallstricke hat.
Schwierig für alle Geschlechter
Im Jahresschnitt führt Fiftitu% 300 kostenlose und anonyme Beratungen durch – eine Verdreifachung seit der Pandemie (mehr unten). Das Kernziel beschreiben Serbest und Stellvertreterin Rebekka Hochreiter als das Vorantreiben von Professionalisierung. Serbest: "Allein von ihrer Kunst können die wenigsten leben. Schwierig ist es für alle Geschlechter, besonders aber für Frauen." Abgesehen davon, dass der Geniebegriff in Kunst und Kultur, der Ressourcen zugänglicher macht, männlich geprägt ist, hält sich in der Branche noch der Mythos, man sei nicht patriarchal organisiert. Jedoch treffen Frauen hier die gleichen Benachteiligungen wie anderswo.
So hilft Fiftitu% nicht nur bei konkreten Projekten, Portfolios und Förderansuchen individuell, informiert über Versicherungen, Rechts- und Steuerfragen, wie Hochreiter erklärt, sondern reicht etwa Wiedereinsteigerinnen die Hand, die aus Gründen wie Kinderbetreuung, Sorgearbeit und/oder Pflege Jahre auf einen sicheren Brotjob zurückgegriffen haben.
Eine Schwachstelle im System ortet das Fiftitu%-Duo im Fehlen von Lehrveranstaltungen, die Abgänger darauf vorbereiten, was nach der Uni passiert: "Ganz viele sind sich nicht bewusst, dass sie einmal selbstständig sein werden." An der Linzer Kunstuni gibt es daher Lehrveranstaltungen von Fiftitu%, die auf dieses Problem zugeschnitten sind und allen Studierenden offenstehen, entsprechend der feministischen Haltung: keine Exklusion, sondern ein Umfeld, das Balance findet und in dem es allen gut geht. Weiters bietet Fiftitu% Workshops, Mentoring, aber auch Werkzeuge wie die offene Förderdatenbank newsbase.at. All diese Schritte will man in mehr Sichtbarkeit und Engagements auf Podien und Bühnen münden lassen. Fiftitu% veranstaltet dazu noch selbst Kultur – von Literatur bis Filmvorstellungen.
Was man sich angesichts dieses Pensums kaum vorstellen kann: Neben ehrenamtlichen Helferinnen stemmen das mit Serbest und Hochreiter zwei Frauen in Teilzeitstellen. Serbest: "Vom Leistungsumfang her bemessen, treiben wir ein mittelständisches Unternehmen voran." Man rate seinen Klienten freilich, auf sich zu achten. "In der Realität beuten wir uns für unsere Sache stark aus."
In die Arbeit von Fiftitu% fließen pro Jahr 4000 ehrenamtliche Stunden, zu bemessen mit einem Budgetvolumen von mehr als 200.000 Euro.
2020 wurden durch Fiftitu% mehr als 200.000 Euro an Künstlerinnen in Oberösterreich vermittelt, die ohne die Unterstützung von Fiftitu% im Covid-19-Förderprozess nicht weitergekommen wären.
Zahlen und Fakten
Fiftitu% wird von Bund, Stadt Linz und Land OÖ gefördert. Dazu kommen Projektförderungen. Größtes Problem hier sei, dass man wenig Basisförderung bekomme, die jedoch brauche es, um stringent und mit Planungssicherheit für Gehälter, Miete aufzukommen und Beratungen zu machen.
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Foto: Die Frauen von Fiftitu% (hinten von li.): Helga Schager, Oona Valarie Serbest (Geschäftsführung), Theresa Glötzl, Elisabeth Murhammer, Olivia Schütz, Gerlinde Schmierer, vorne: Rebekka Hochreiter (stv. Geschäftsführung, li.), Brigitte Vasicek
Bild: VOLKER WEIHBOLD