Zwei Promille sind nicht genug!
Circa ein Jahr ist es her, als die freie Szene Linz einen offenen Brief unter dem Titel “Linz verendet – ohne freie Kultur!” an den Kulturreferenten der Stadt Linz, ÖVP-Vizebürgermeister Erich Watzl und an den Stadtsenat schickte. Damals wurde in Gesprächen mit den führendenen PolitikerInnen Hilfe versprochen, doch mehr als ein paar punktelle Verbesserungen gab es nicht. Noch immer wartet die freie Szene auf den großen Wurf, auf eine Umverteilung der Geldmittel hin zur freien Kunst- und Kulturarbeit, die einen menschenwürdigen Betrieb der dutzenden Initiativen ermöglicht. Daher haben wir auch heuer wieder einen offenen Brief verfasst, pünkltich zu den anstehenden Budgetverhandlungen. 46 freie Kulturinitiativen und 42 Einzelpersonen, darunter ich, haben den Brief unterschrieben, dessen Text ihr im folgenden lesen könnt:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
es ist Zeit, konkrete Schritte zur Verbesserung der Situation der freien Linzer Kunst- und Kulturszene zu setzen. Die ersten Entwürfe des neuen Kulturentwicklungsplans zeigen in die richtige Richtung. Eine Kulturstadt braucht aber nicht nur starke öffentliche Einrichtungen, sondern auch eine starke freie Szene. Umso wichtiger ist es, jetzt die Weichen für substantielle Änderungen der Förderstruktur zu stellen. Denn noch immer stagniert das der freien Szene zuordenbare Budget in Linz. Die freie Szene erhält circa drei Prozent des gesamten Kulturbudgets oder nur zwei Promille des gesamten Stadtbudgets, in absoluten Zahlen ca. 1,4 Millionen Euro.
Mit den Drei-Jahres-Verträgen sollten stabile Rahmenbedingungen den Kulturinitiativen Planungssicherheiten geben. Da diese Basisförderungen aber seit ihrer Einführung vor neun Jahren nicht mehr angehoben wurden, sind sie durch die nicht abgegoltene Inflation ein Viertel weniger Wert als zu Beginn. Die Situation wird dadurch verschärft, dass auch auf Landesebene damit zu rechnen ist, dass die Einsparmaßnahmen wie die fixierte Kreditsperre, wiederum in erster Linie die freie Szene treffen.
Gleichzeitig ist es gerade für junge Initiativen im Kunst- und Kulturbereich ungleich schwerer geworden, Subventionen zu erhalten, um ihre Fixkosten oder gar ihre Arbeit zu finanzieren. Während MitarbeiterInnen der städtischen Kulturbetriebe berechtigterweise nach Kollektivverträgen bezahlt werden, verschlechtert sich die soziale Lage freier KulturarbeiterInnen und freier KünstlerInnen immer weiter.
Ihr Kollege, Stadtrat Johann Mayr, hat das erkannt. In einem Interview mit dem ORF im Mai diesen Jahres hat er sich dafür eingesetzt, dass sich die Stadt auf die Förderung von Linzer KünstlerInnen und KulturarbeiterInnen aus der freien Szene konzentriert. Wir nehmen ihn beim Wort und fordern auch Sie auf, sich zur Stärkung der freien Szene zu bekennen und politisch dafür einzusetzen, dass die Situation grundlegend verbessert wird.
„Wer sich in der Kultur mit dem Status Quo zufrieden gibt, entwickelt sich zurück“ – so steht es im Programm der SPÖ Linz. Also seien wir gemeinsam unzufrieden und entwickeln die Linzer Kulturpolitik weiter! Die ersten Rohfassungen des neuen Kulturentwicklungsplans lassen darauf hoffen, dass Linz es ernst mit dem Wandel zur Kulturstadt meint. Es wäre jedoch nur Kosmetik, wenn sich die Kulturpolitik auf die Förderung von publikumsstarken und vermarktbaren Formaten zurückzieht. Wir brauchen keinen weiteren Rausch mehr. Wir brauchen eine nüchterne Analyse unserer Zeit, um den Wahnsinn zu stoppen, der im Gewand des Kapitalismus unsere Gesellschaft und unsere Welt zerstört. Dafür brauchen wir Raum, Zeit, Ressourcen und Ihre Unterstützung.
Wir fordern daher eine schrittweise Erhöhung des Budgets der freien Szene auf mindestens drei Millionen Euro bis 2015. Dies soll durch Ausweitungen der Basissubventionen, der Projektsubventionen und der Sonderförderprogramme geschehen. Weiters fordern wir in Zukunft eine verbindliche Inflationsanpassung der Basissubventionen der Kulturinitiativen, um die schleichende Erodierung der Budgets zu verhindern. Schließlich soll ein verbindlicher Kriterienkatalog die Fördervergabe objektivierbarer und nachvollziehbarer machen.
Diese Stellungnahme wird von zahlreichen Initiativen aus dem Kunst- und Kulturbereich unterstützt und von vielen Einzelpersonen mitgetragen:
Initiativen: afo – architekturforum oberösterreich, Aktionsgemeinschaft Social Impact, Backlab Collective, bb15 – Raum für Gegenwartskunst, bRANDjUNG – Kollektiv für Raum und Inszenierung, City Kino, Collective Ika, Design Forum Linz, Die Fabrikanten, die zebras, Dorf TV, eipcp – european institute for progressive cultural policies, FIFTITU% – Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur in OÖ, Fruchtgenuss – Verein für Leerstandsangelegenheiten, IFEK – Institut für erweiterte Kunst, junQ.at – Medien- & Kulturplattform, KAPU, Kult-Ex / Das Kollektiv, Kulturverein LIBIB, Kulturverein One Culture, Kulturverein Peligro, KünstlerInnenkollektiv Expanderrr, KünstlerInnenkollektiv Kompott, KunstRaum Goethestrasse xtd, Kunstverein Paradigma, KUPF – Kulturplattform Oberösterreich, maiz – Autonomes Zentrum von & für Migrantinnen, MARCH GUT industrial design, Moviemento, nomadenetappe, Pangea – Interkulturelle Medienwerkstatt, qujOchÖ, Radio FRO – Freier Rundfunk Oberösterreich, RedSapata Tanzfabrik, servus.at, SILK fluegge, SPACEfemFM Frauenradio, spotsZ – Kunst.Kultur.Szene.Linz, Stadtwerkstatt, sunnseitn, theaternyx*, Time’s Up, transpublic*, Unkraut Comics, urbanfarm, Zach Records
Personen: Aileen Derieg, Alexander Vojvoda, Andre Zogholy, Andrea Hummer, Andrea Mayer-Edoloeyi, Andreas Reichl, Andreas Strauss, Astrid Esslinger, Barbara Huber, Bernhard Hummer, Brigitte Vasicek, Christian Diabl, Christian Haselmayr, Christoph Fürst, Dagmar Höss, Daniel Steiner, David Wagner, Didi Bruckmayr, Florian Sedmak, Franz Fend, Harald Renner, Helga Schager, Jakob Dietrich, Kurt Mitterndorfer, Michael Schweiger, Nicole Honeck, Paul Fischnaller, Richard Schachinger, Rudolf Danielczyk, Sabine Stuller, Silke Grabinger, Simone Boria, Stefan Rois, Thomas Diesenreiter, Thomas Hinterberger, Thomas Kreiseder, Tim Boykett, Tina Auer, Ursula Kolar, Werner Puntigam, Wolfgang Dorninger, Wolfgang Steininger