Direkt zum Inhalt

Linz – Stadt ohne Frauen

Linz – Stadt ohne Frauen

Wahlkampf auf Kosten der musikalischen Vielfalt

Offener Brief vom 13. Juli 2015 zum Projekt "Spielraum"

Wir sind verärgert. Und zwar richtig. Glauben Sie wirklich, dass es in Linz keine Musikerinnen gibt? Würde ihr Projekt „SPIELRAUM Linz“ wirklich die Vielfalt des Linzer Musikschaffens abgebildet haben, müssten Außenstehende meinen, dass sich in der Stadt die Frauen nicht auf die Bühnen wagen. Zum Glück wissen wir es besser, zum Glück gibt es unzählige weibliche Künstlerinnen, die aus Linz stammen oder hier arbeiten. Und, Herr Bürgermeister Luger: Muss es wirklich sein, dass Sie auf diese Weise Steuergeld für Ihren Wahlkampf verpulvern?

Aber lassen wir den Ärger einmal beiseite, es ist ohnehin heiß genug. Betrachten wir die Fakten: Am 3. Juni fand die Veranstaltung „SPIELRAUM Linz“ statt. Auf der Homepage loben sich die Verantwortlichen:„Mit Doppel-CD, Doku-Film und Konzert-Nacht vereint SPIELRAUM 4 Bühnen, 16 Live-Acts

Spielraum LIVE - female Artists

und 34 aktuelle Album-Tracks.“ Und: „Auch als Musikstadt geht Linz den Weg der Avantgarde, des Experiments, der Suche nach neuen Wegen. Nach Jahren der Abgrenzung und des Selbstbezugs ist heute Offenheit und Kollaboration angesagt.“ Jetzt könnten wir schon einhaken: Abgrenzung, Selbstbezug – wirklich?

Aber es geht uns um offensichtliche Mängel: Wo bitte bleiben die Frauen? Wollten die sich abgrenzen von der weltoffenen Linzer Musikszene? Bestimmt nicht. Schon alleine im Doku-Film kommen nur zwei Musikerinnen (Anna Katt und Mavi Phoenix) zu Wort, und das nur kurz. Script und Bildregie haben sie obendrein, im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen die mit Pathos über das eigene Schaffen, das Können und Linz schwadronieren, in Settings aufgenommen, in denen die stereotypen Rollenklischees wieder ungeheuerlich bedient werden - das junge „Mädchen" am Rummelplatz und die liebevolle Mutter, die mit „ihrem" Kind in der Sandkiste spielt. Auch auf den Bühnen war ihre Beteiligung minimal: rund 46 Männern standen gerade einmal drei Frauen gegenüber, den 13 „Männerbands“ nur eine „Frauenband“ und zwei „gemischte“ Bands. Auf der SPIELRAUM-CD-DVD sind von den insgesamt 33 Tracks 27 reine Männerprojekte, nur drei gemischt und vier nur von Frauen.

Für uns von FIFTITU% ist diese mangelnde Anerkennung von Musikerinnen eine heftige Ohrfeige. Verschonen Sie uns mit den alten Argumenten wie „Aber es gibt halt so wenige Frauen in der Musik...“ Seit 1998 bieten wir eine umfangreiche Beratung und Vernetzung zu Frauen in Kunst und Kultur an. Wir hatten 2014 das Jahresthema "Feministisches Wunschkonzert" und heuer das Jahresthema "Sounds like Feminismus". Wir haben das GIRLS ROCK CAMP (www.girlsrock.at) nach Linz geholt, und arbeiten daran, junge Frauen in die Musik und an die Instrumente zu bekommen. FIFTITU% berät seit vielen Jahren und kooperiert etwa mit dem Team des Ottensheim Open Air oder der Stadtwerkstatt. Umso mehr wundern wir uns, dass die Verantwortlichen der SPIELRAUM-Locations - Central, KAPU, Posthof und Stadtwerkstatt - den deplorablen Frauenanteil hingenommen haben. Wir hatten von ihnen bislang immer Zustimmung erhalten, wenn es darum ging, Frauen sichtbar zu machen. Wir laden sie deswegen ein, uns künftig/weiterhin im Protest gegen solche Praktiken zu begleiten.

Unser zweiter Kritikpunkt: „SPIELRAUM“ ist „powered by“ Klaus Luger und erweist sich als Wahlveranstaltung. Auf der Homepage heißt es: „Das Beste für die Fans: Der Genuss dieser geballten Ladung kostet sie nichts. Möglich macht das ein Pool musikbegeisterter Sponsoren und die Bereitschaft aller auftretenden Musikerinnen und Musiker, auf ihre Gage zu verzichten.“ Haben die KünstlerInnen verzichtet, weil sie den Bürgermeister unterstützen wollen, oder wurden sie nicht ausreichend informiert? Es ist nicht anzunehmen, dass der Bürgermeister das Projekt aus privaten Mitteln „gepowert“ hat. Dann wäre der Frauenanteil wohl auch noch peinlich. Aber bezahlt wurde mit Steuergeld – die „geballte Ladung“ kostet die Fans also sehr wohl etwas.

Es wäre traurig, wenn dieses Line-up wirklich als „Experiment“ oder „Avantgarde“ gilt, wenn damit „neue Wege“ beschritten werden. Da gehen wir nämlich nicht mit.

Mit freundlichen Grüßen

FIFTITU%

Dieser Brief ging auch persönlich an die an die Herren Initiatoren: Bgm. Klaus Luger, Stadtrat Stefan Giegler, Harald Christian Enzenhofer, Philipp „Flip“ Kroll und die Veranstalter*innen: Central, KAPU, Posthof, Stadtwerkstatt.

Foto: CD Cover "Spielraum" - female Artists

Kulturpolitisch