Direkt zum Inhalt

Für was bin ich herausgekommen?

Für was bin ich herausgekommen?

Erinnerungen von österreichischen Überlebenden des Frauen- Konzentrationslagers

Wege nach Ravensbrück eine Ausstellung der besonderen Art

März 2000, Michaela Schoissengeier

„und wer uns sieht, sieht die furchen, die das leid uns in das antlitz geschrieben, sieht spuren von körper- und seelenqualen, die uns ein bleibendes mal geblieben. Und wer uns sieht, sieht den zorn, der hell in unseren augen blitzt, sieht den jauchzenden freiheitsjubel, der ganz unsere herzen besitzt. Und dann reihen wir uns ein, in die letzte große kolonne, dann heißt es zum letzten male: vorwärts marsch! Und jetzt führt der weg zum licht und zur sonne.„

Das Gedicht „An meine Brüder„ von KÄTHE LEICHTER wurde von Viktoria Fila in Ravensbrück auswendig gelernt und blieb so erhalten. Die sozialistische Politikerin und Journalistin Käthe Leichter kam 1940 ins Lager Ravensbrück. Sie wurde 1942 – weil sie Jüdin war – durch Giftgas ermordet.

Am 15.Mai 1939 erreichte der erste Transport mit 800 weiblichen Häftlingen das Konzentrationslager Ravensbrück. Nördlich von Berlin was das Lager 1938 in der unmittelbaren Nachbarschaft des beliebten Luftkurortes Fürstenberg errichten worden. Während der nationalsozialistischen Herrschaft existierten insgesamt zehn Lager, in denen Frauen in separaten Abteilungen inhaftiert waren. Doch Ravensbrück war in seiner fast sechsjährigen Existenz das einzige für Frauen bestimmte Konzentrationslager des nationalsozialistischen Deutschen Reiches.

132.000 Frauen aus über 40 Nationen wurden zwischen Mai 1939 und April 1945 nach Ravensbrück und seine Nebenlager verschleppt. Nach der Ankunft im Lager wurden die Frauen von der SS-Verwaltung in Häftlingskategorien eingeteilt, die von der SS zudem hierarchisch gereiht wurden. Jüdinnen sowie Roma- und Sinti-Frauen standen als „rassisch„ Verfolgte und waren der Willkür und den Vernichtungsabsichten der SS massiver ausgesetzt als alle anderen Häftlingsgruppen. Die Unterbringung und Verpflegung der Häftlinge war von Beginn an unzureichend und wurde kontinuierlich verschlechtert. 1944 waren die Wohnbaracken dreifach überbelegt und die tägliche Lagerverpflegung bestand morgens aus einem Becher Ersatzkaffee, mittags und abends _ Liter salz- und fettloser Suppe mit halb verfaulten Steckrüben sowie 200g Brot. Die Häftlinge wurden Arbeitskommandos zugeteilt und mußten für SS-Betriebe und deutsche Unternehmen Zwangsarbeit leisten. U.a. profitierten Siemens, die Heinkel-Flugzeugwerke, die deutschen Ausrüstungswerke sowie kleine Privatbetriebe in der Umgebung des Lagers davon. Das Krankenrevier des Lagers war ein Ort des Quälens und Sterbens. Das medizinische SS-Personal führte an Häftlingen Sterilisationen und Abtreibungen durch, mißbrauchte viele Frauen für medizinische Versuche und selektierte kranke und geschwächte Häftlinge. Die SS zwang Häftlinge auch zur Prostitution in SS-, Wehrmachts- und KZ-Häftlingsbordellen.

1941 wurde in einem abgetrennten Bereich ein Männerlager eingerichtet. 20.000 Häftlinge waren bis April 1945 dort inhaftiert. Kurz vor Kriegsende gelang es dem Schwedischen Roten Kreuz, mit Reichsführer SS Heinrich Himmler über die Freilassung von Häftlingen aus deutschen Konzentrationslager zu verhandeln. Im April 1945 wurden so auch 7.500 Ravensbrücker Häftlinge – vor allem aus Skandinavien, den Benelux-Staaten, Frankreich und Polen – gerettet. Die ersten Vorboten der Roten Armee erreichten am 30. April das Lager, denen am 1.Mai 1945 reguläre Einheiten folgten und das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück endgültig befreiten. Für viele Frauen kam aber selbst die sofortige Hilfe zu spät, sie überlebten die Folgen ihrer KZ-Haft nicht. Zehntausende wurden im Konzentrationslager Ravensbrück ermordet. Die genaue Zahl der Frauen, Kinder und Männer, die in Ravensbrück sterben mußten, läßt sich nicht mehr ausmachen. Der Großteil des Beweismaterials wurde von der SS verbrannt. Ein Teil der MörderInnen von Ravensbrück stand 1946/47 im Nürnberger Ärzteprozeß und 1948 im Hamburg vor Gericht. Das führende SS-Personal von Ravensbrück wurde zum Tode verurteilt, die unteren SS-Ränge wurde zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt, allerdings größtenteils vorzeitig entlassen.

Seit 1959 existiert die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Das ehemalige KZ-Gelände wurde vom sowjetischen Militär umgebaut und bis 1994 als Kaserne genutzt. (Text aus „Katalog zur Ausstellung – wege nach ravensbrück Erinnerungen von österreichischen Überlebenden des Frauenkonzentrationslagers)

1947 gründeten österreichische Frauen, die das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück überlebt hatten, die Österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück. Neben der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung war vor allem ihr politisches und gesellschaftliches Engagement in der wiederaufzubauenden 2 Republik im Vordergrund. Um nie wieder Nationalsozialismus und Faschismus aufkommen zu lassen, besuchten sie als Zeitzeuginnen österreichische Schulen und Universitäten, hielten die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wach und engagierten sich gegen Faschismus, Krieg, Gewalt, Antisemitismus und Rassismus. Die Idee der Lagergemeinschaft für eine Ausstellung wurde von einer Gruppe junger Frauen realisiert, die ein Konzept entwarfen, das die lebensgeschichtlichen Interviews der noch lebenden Österreicherinnen als Ausgangspunkt hatte, um österreichische Vergangenheit und Gegenwart anhand Biografien zu vermitteln. Elf Frauenleben werden optisch, akustisch und visuell in einer äußerst gelungenen Art in „Wege nach Ravensbrück„ dargestellt. Diese elf Frauen wurden von den NationalsozialistInnen aus verschiedenen Gründen verfolgt und gequält, zwei von ihnen überlebten nicht.

Die Ausstellung zeigte das Leben von neun überlebenden Frauen: einer Romni, einer Kärtner Slowenin, einer Frau aus dem Leobener Widerstand, einer Sintezza, einer Zeugin Jehovas, einer Wiener Kommunistin, einer Frau jüdischer Herkunft, einer Lesbe sowie einer Frau, die aufgrund ihrer Liebesbeziehung zu einem polnischen Zwangsarbeiter nach Ravensbrück verschleppt worden ist. Anhand von persönlichen Dokumenten und Fotos, aber auch durch Audio- und Videosequenzen, in denen diese Frauen ihre Geschichte selbst erzählen, und wir ihnen zuhören können, werden ihre Lebensgeschichten nachgezeichnet und so jener Teil österreichischer Frauengeschichte hervorgehoben, der meist vergessen wurde. Die Ausstellung läßt ihre Lebensgeschichten weder erst mit der Verfolgung beginnen, noch mit der Befreiung aus dem Konzentrationslager enden. Sie erzählen uns auch von ihrer Jugend in der von politischen und ökonomischen Krisen geprägte Zwischenkriegszeit, von Verfolgung und KZ-Haft, Befreiung und ihrem Weiterleben in der zweiten Republik, ein Weiterleben, das für einige erneute Ausgrenzung und Diskriminierung brachte.

Ich war nach diesem Besuch der Ausstellung „Wege nach Ravensbrück„ sehr betroffen und auch berührt – berührt von so viel Leid und Demütigung, jedoch auch von so viel Kraft und Mut, zu seiner Überzeugung und seiner Art zu leben, zustehen. Besonders beeindruckt hat mich die sensible Aufarbeitung eines Stücks unserer österreichischer Vergangenheit und die Courage der betroffenen Frauen für ihre Offenheit und ihre Bereitschaft andere Menschen so hautnah an ihren Geschichten teilhaben zu lassen. Laut der österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück kommt die Ausstellung „Wege nach Ravensbrück„ heuer -2000 nach Oberösterreich (genauere Termine stehen noch nicht fest). Ich möchte jede und jeden auffordern, seinen persönlichen Anteil zum „nicht vergessen„ des Nationalsozialismus beizusteuern. Ein erster Schritt kann sein, sich zu informieren,sich auseinandersetzen und so nie wieder menschenverachtende Tendenzen aufkommen zulassen bzw. dem entgegen zusteuern. Der Besuch dieser Ausstellung kann ein erster Schritt dazu sein.

Veranstaltungstyp